Gedichte


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Mittag

Rings alles still - wohin man horcht und späht,
Im schatt'gen Walde, wie auf lichter Flur;
Nicht einmal eines einz'gen Vogels Laut,
Kein Blattgesäusel, keines Hauches Wehn,
Denn die Natur hält ihren Odem an.

Weißglühend senkt die Sonne scheitelrecht
Ihr Strahlenmeer herab aufs stille All,
Und kein Gewölk am ganzen Horizont
Erspäht der Blick, nur eine weiße Flocke
Hängt leuchtend dort, ganz einsam, wie verloren,
Ganz regungslos im glühenden Azur.

"Es schlummert Pan", so redeten sie einst.
"Seid stille, stört den Geist des Waldes nicht."
Nun aber ist er tot, der alte Pan.
Und mit ihm sind gestorben der Dryaden
wie der Najaden gütige Gestalten,
Die schützend tief im Walde Wohnenden,
In grüner, quelldurchrauschter Einsamkeit, -
Dahin die ganze alte schöne Welt.

Du aber, Mensch, befolge noch das Wort;
Sei still in wunderbarer Mittagszeit,
Daß du den Traum des Waldes nimmer störst
Durch wüsten Lärm, und laß die Arbeit ruhen
Und ruhe selbst und träume. Es ist süß,
Ganz aufzugehen in das große Schweigen
Und eins zu werden mit der Natur.
Hermann Ludwig Allmers (1821-1902)
 
MÄRZVEILCHEN

Der Himmel wölbt sich rein und blau,
Der Reif stellt Blumen aus zur Schau.
Am Fenster prangt ein flimmernder Flor,
Ein Jüngling steht, ihn betrachtend, davor,
Und hinter den Blumen blühet noch gar
Ein blaues, ein lächelndes Augenpaar,
Märzveilchen, wie jener noch keine gesehn.
Der Reif wird, angehaucht, zergehn.
Eisblumen fangen zu schmelzen an,
Und Gott sei gnädig dem jungen Mann.
Hans Christian Andersen
Sie trinken Luft und Licht,
schmecken Sonnenschein
am Tage und Tau in der Nacht,
blühen, bekommen Besuch
von Bienen,
die nach der Mitgift,
dem Honig in der Blüte, suchen.
Hans Christian Andersen
Weisse Rose, weisse Rose -
Träumerisch
Neigst du das Haupt.
Weisse Rose, weisse Rose -
Balde
Bist du entlaubt.
Weisse Rose, weisse Rose -
Dunkel
Drohet der Sturm.
Im Herzen heimlich -
Heimlich -
Naget der Wurm.
Heinrich Seidel (1840-1906

Sterne und Träume

Weißt Du noch,
wie ich Dir die Sterne vom Himmel
holen wollte,
um uns einen Traum zu erfüllen?
Aber
Du meintest,
     sie hingen viel zu hoch ...!
Gestern
streckte ich mich zufällig
dem Himmel entgegen,
und ein Stern fiel
in meine Hand hinein.
Er war noch warm
und zeigte mir,
daß Träume vielleicht nicht sofort
in Erfüllung gehen;
    aber irgendwann ...?!
 
- Markus Bomhard -
 
 Erkenne Dich selbst bedeutet nicht: Beobachte Dich. Beobachte
Dich ist das Wort der Schlange. Es bedeutet: Mache Dich zum
Herrn Deiner Handlungen. Nun bist Du es aber schon, bist Herr
Deiner Handlungen. Das Wort bedeutet also: Verkenne Dich!
Zerstöre Dich! also etwas Böses und nur wenn man sich sehr tief
hinabbeugt, hört man auch sein Gutes, welches lautet: "um Dich
zu dem zu machen, der Du bist."
Franz Kafka

Dreamers Traumwelten

Wenn ich morgens aufwache
und die Träume der Nacht
einfangen will,
sind sie fort.

Waren sie bedeutungslos
oder zu schön
für den Alltag?

In deinen Augen

In deinen Augen
könnt ich versinken,
wie Sie so lachen,
wie Sie mir winken.
Möcht dich umarmen,
halten und spüren,
langsam umgarnen,
sanft dich verführen.
Mit dir verbringen,
Höhen und Tiefen,
Liebe erringen,
Sehnsucht vertiefen.
Wünscht, mich zu trauen,
Dir zu gestehen,
Angst, zu verbauen,
schlecht auszusehen.
Dich anzusprechen,
mit mir zu gehen;
Nicht abzuweichen,
wenn ich dich sehe.
Bin doch zu schüchtern,
Schritte zu wagen,
Seele erleichtern
Wahrheit zu sagen.

von Erich Schubert

 

Halb drei in der Nacht

An unbekannt

Halb drei in der Nacht
ich liege daheim
Im Herzen - noch wach.
Ich schlafe - nur Schein.

Schon wieder ein Tag,
Es kann doch nicht sein,
Das niemand mich mag.
Ich bin so allein.

Mit all meinen Freunden
nur scherzen, nur ratschen
die Zeit nur vergeuden
nur äußerlich lachen.

Mir fehlt eine Freundin
ein Herz, das ich lieb
Zum Leben der Sinn
den Sie mir erst gibt.
von Erich Schubert
 
 
An den Engel
Starker, stiller, an den Rand gestellter
Leuchter: oben wird die Nacht genau.
Wir verbergen uns in unerhellter
Zögerung an deinem Unterbau.
 
Unser ist: den Ausgang nicht zu wissen
aus dem drinnen irrlichen Bezirk
du erscheinst auf unseren Hindernissen
und beglühst sie wie ein Hochgebirg.
 
Deine Lust ist über unserem Reiche,
und wir fassen kaum Niederschlag;
wie die reine Nacht der Frühlingsgleiche
stehst du teilend zwischen Tag und Nacht.
 
Wer vermochte je dir einzuflößen
von der Mischung, die uns heimlich trübt,
du hast Herrlichkeit von allen Größen,
und wir sind am Kleinlichsten geübt.
 
Wenn wir weinen, sind wir nichts als rührend,
wo wir anschaun, sind wir höchstens wach,
unser Lächeln ist nicht weit verführend,
und verführt es selbst, wer geht ihm nach?
 
Irgendeiner. Engel, klag ich, klage ich?
Doch wie wäre denn die Klage mein?
Ach, ich schreie, mit zwei Hölzern schlag ich,
und ich meine nicht, gehört zu sein.
 
Daß ich lärme, wird an dir nicht lauter,
wenn du mich nicht fühlest, weil ich bin.
Leuchte, leuchte! Mach mich angeschauter
bei den Sternen. Denn ich schwinde hin.
 



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